Drei Chinesen mit dem Kontrabass

Ich bin ja der Meinung, dass die Verfügbarkeit von Pizza Bringdiensten sowohl in Qualität und Quantität wie auch in puncto Zeit der letztmöglichen Bestellung einen Messwert für den Zivilisationsgrad einer Gegend, wenn nicht gar der Gesellschaft darstellen. Generalisiert kann man gerne auch den Essens-Bringdienst, also auch modulo Pizza, betrachten. Dazu gehören Inder (Chicken Korma, hmm) und Cineasten – äh – Chineaten. Chinoisen halt. Chinesen!
Was man dem gemeinen Bringdienst-Boten nicht unterstellen darf ist jedwede Fähigkeit zur Denkleistung. Die Adresse, zu der ich ab und an liefern lasse, ist trügerisch. Ich erkläre den Leuten also einen 3-Punkte Plan, sicher vor meiner Tür zu landen, die sich auf folgende Worte beschränkt: “Fahre von wo Du bist in Richtung nächster Ort, biege bei der ersten Möglichkeit links ab, und dann bei der ersten Möglichkeit rechts.” Sogar meine Schwiegermutter, die auf jeder erdenklichen Strecke durch Deutschland an Karlsruhe vorbeikommt, würde das finden (nichts für ungut!).

Nicht so Bringdienst Boten. Wobei es hier verschiedene Charaktere zu geben scheint. Der Pizza-Bringdienst Bote (der den Job macht weil er dann nen Grund hat in dem von Papi geschenkten 3er BMW rumzukurven und das Benzingeld zu bezahlen) sagt: “Klarklar, ich weiss wo das ist!” – “Wenn’s Probleme gibt, frag Alex, war schon hier, kennt den Weg!” – “Jaja, kein Problem!”. Und dann dauert es 4 Telefonanrufe und 3 Stunden, und Alex zeigt dem armen (Ver-)Irr(t)en den Weg. Jaja, kein Problem.

Der andere Bringdienstboten-Charakter, der sich mir heute unverdaulich ins Gedächtnis gebrannt hat, ist der Chitinese. Der kann sich nicht vorstellen, dass unter einer Adresse mit Strasse und Hausnummer was anderes zu finden sein könnte als ein Haus mit Nummer an einer Strasse. Dass die Adresse ein Institutsgelände mit mehreren Gebäuden ist, die dann ihrerseits wieder verschiedene Eingänge haben, ist auch nach Erklärung unvorstellbar. Dann ruft er aus dem Auto (hoch lebe die Erfindung des Mobiltelefons!) an und fragt wo er hin muss. “Folge dem 3-Punkte Plan!” – “Habe ich gemacht!” – “Bist Du auf der Strasse Soundso?” – “Ja” – “Siehst Du jenes Landschaftsmerkmal?” – “Ja” – “Dann bist Du richtig. Ich komm raus.” Und natürlich ist er nicht da, sondern kommt 5 Minuten später aus der Richtung wo er garantiert weder eine gleichnamige Strasse und schon gar nicht das genannte Landschaftsmerkmal hat sehen können.

Immerhin waren in meinem Glückskeks gleich zwei Zettel mit Weisheiten vorne und Glückszahlen hinten drauf drin. Es stellt sich jetzt die Frage, ob für den Rest der Woche all die Zahlen meine Glückszahlen sind, oder nur die, auf die ich später geguckt habe, und ob die, die doppelt vorkamen auch doppelt so glücklich sind wie die andern. Bei den Weisheiten ist das etwas weniger zweideutig. Weisheit 1 besagte, dass ich zu Hause alles unter Kontrolle hätte (das war der Zettel, den ich meiner Frau hätte mitbringen sollen). Weisheit 2 besagte, dass ich und China im Allgemeinen und die chinesische Kultur im Besonderen sowieso ja echt gut zusammenpassen würden.

HACKTS???

Also was China angeht habe ich ja eine Meinung, fundiert nebenbei bemerkt – immerhin war ich da. So viel Elend habe ich Wohlstandskind noch selten gesehen, und wenn’s stimmt dass die 10% Wirtschaftswachstum haben können sie es auch gut gebrauchen, und wir müssen uns dennoch keine Sorgen machen – selbst exponentielles Wachstum kann diesen den Laden nicht annähernd schnell genug aufmöbeln. Außerdem haben sie genau gar nichts von dieser häufig genannten chinesische Kultur, denn die haben sie in der – richtig – Kulturrevolution selbst mit wehenden Fahnen in Grund und Boden gebrannt. Derzeit findet eine Rückbesinnung auf die traditionelle chinesische Kultur statt (oder woran sie sich erinnern können, oder was sie rausfinden wenn sie die Tagebücher von Marco Polo lesen). Das resultiert dann zum Beispiel in Freizeitparks, wo man an jeder Ecke durch Beten, Anfassen von UNGLAUBLICH kitschigen Kreidesteinen (natürlich dem größten der Welt) und nicht zu vergessen durch Transfer eines kleinen Obulus – na? Klar! – sein Glück steigern kann! Dort steht natürlich auch eine riesengrosse Buddha-Statue (natürlich die kitschigste der Welt) von der gesagt wird, sie sei auch größer als die Freiheitsstatue, meiner Meinung nach aber nur aussieht wie ein fehlproportionierter, überdimensionaler Dildo. Tschuldigung. Dieser China-Aufenthalt, insbesondere der Besuch jenes “religiösen Kulturparks” hat mir mindestens drei Freisteigerungen aufs Talent Sarkasmus ermöglicht.

Außerdem geht es mir als arrogantem, selbstherrlichen und hochnäsigen Menschen ja auch sowas von gegen den Strich, dass die Chinesen so arrogant, selbstherrlich und hochnäsig sind (natürlich ausnahmslos alle! Hier wird jetzt nicht zur Wahrung der politischen Korrektheit oder etwa gar der Realität wegen relativiert!).

So verbrachte ich den Flug nach China neben einem chinesischen Professor, der nicht nur außerordentlich freundlich, sondern auch des Deutschen mächtig war. Wie das in Unterhaltungen mit Chinesen so ist, waren wir bald beim Papier, dem Schwarzpulver, Keramik, Schrift und pi pa po angelangt, und dass wir Europäer ja noch auf dem Bärenfell grunzend unsere Keule polierten (und, wo wir schon mal dabei sind, Amerikaner noch nicht mal in der Planung waren) als die Chinesen schon Teile ihrer eigenen Kultur zerstören mussten, um dem Überfluss Herr zu werden. Der Fairness wegen bemerkte ich gegen Ende des Gesprächs jedoch, dass wir Europäer die Zahl Null aber von den Arabern übernommen hatten. Daraufhin sagte mein Gesprächspartner “Aber erst nachdem die Araber die Null von UNS abgeguckt hatten!”.

Wenige Monate später sollte ein chinesischer Student unsere Gruppe besuchen, und da ich ihn von meinem albtraumartigen China-Trip schon kannte war ich seine Kontaktperson (netter Kerl nebenbei). Auf meine Frage hin wie alt er denn (wegen Sonderpreisen und Rabatten) sei meinte er: “Ich bin 1980 geboren, also bin ich 26!” Ich antwortete “Mein arithmetisch gebildeter Freund, es ist 2005 – wenn Du 1980 geboren wurdest, so wirst Du mir zustimmen, bist Du jetzt also 25.” Daraufhin wurde ich natürlich, wie könnte es anders sein, belehrt: “In China bist Du 1 Jahr alt, wenn Du geboren wirst!”.

Aber die Null haben sie erfunden, sicher das.